Bekenntnisse eines Kriegsdienstverweigerers


"Stellen Sie sich vor, Sie laufen nachts über einen schlecht beleuchteten Platz. Plötzlich springen hinter einer Ecke drei bis an die Zähne bewaffnete Gestalten hervor, die es offensichtlich auf Ihr Leben abgesehen haben. Wie reagieren Sie?

Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen - nicht umsonst habe ich solche Situationen nächtelang trainiert. Ich weiche den ersten Schüssen aus und versuche, die drei von der Seite anzugreifen: Nur nicht stehen bleiben. Dabei bringe ich den Vordersten zwischen mich und den Rest. Schon in der Bewegung wechsle ich den Raketenwerfer gegen die im Nahkampf effizientere Schrotflinte. Beim anschließenden Schusswechsel konzentriere ich mein Feuer auf den mir nächsten Angreifer, bis ich diesen erledigt habe, um mich erst dann den anderen zu zu wenden.

Ich bekenne, ich habe gequakt - und deswegen keine Spur von schlechtem Gewissen. Das Abknallen von virtuellen Gegnern ist in etwa so verwerflich wie das Rauswerfen von Mitspielern beim `Mensch Ärger Dich nicht`. All die Moralisten sollten sich lieber darüber aufregen, dass per Gesetzeskraft und daher legal noch immer 18-Jährige an echten Waffen dazu ausgebildet werden, auf Befehl zu töten - keine Computerfiguren, sondern echte Menschen.

Und die These, dass ein Spiel wie Quake Aggression und Gewalt fördere, ist höchstens so plausibel wie ihr Gegenteil: Das Geballer im Netz ist eine Form der Kommunikation, die Aggressionen abbaut. Zum Umgangston gehört ein anerkennendes `nicht schlecht...` nach dem virtuellen Tod genauso wie das martialische `Nimm das ...`.

Trotz detailreicher Grafik mit reichlich virtuellem Blut bleibt das Geschehen auf dem Monitor ein Spiel ohne konkreten Bezug zur Realität. Und wer einen Kondensationskeim für seine krankhaften Fantasien sucht, findet in jeder Videothek passende Vorlagen.
(ju aka LoD) Quelle: C�t 2/2000 S. 117
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